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Dehnen, Strecken, Drehen ...

  • Autorenbild: Seelenwanderung
    Seelenwanderung
  • 18. Jan. 2019
  • 6 Min. Lesezeit

Als ich ein kleines Mädchen war da tanzte ich einmal Ballett. Eigentlich kann man es nicht wirklich als Tanzen bezeichnen, es waren eher Vorbereitungsübungen.

Dehnen, Strecken, Drehen… immer und immer wieder …

Dehnen, Strecken, Drehen …. Immer und immer wieder ….

Und dann endlich, endlich, erhielt man die Erlaubnis mit Spitzenschuhen üben zu dürfen…

Dehnen, Strecken, Drehen, und HOCH, HOCH die Zehen, strecken, straffen, und noch einmal… immer und immer wieder bis einem jeder Muskel, jeder Zentimeter des Körpers weh tat…

Irgendwo im Hintergrund lief da diese klassische Musik – aber man hörte nur die Stimme der Lehrerin … und hoch und halten…

So ging das circa 4 Jahre… und dann war ich nicht mehr im Ballett … ich weiß bis heute nicht wieso…. Und ich habe nie gefragt es ist alles so lange her…

Das Leben ging weiter … als ich 9 Jahre alt war begann das was von Anfang an instabil war, zu bröckeln. Mein Leben veränderte sich grundlegend, und der Tanz des Lebens wurde auf einer anderen Bühne fortgeführt.

Dehnen, Strecken, Drehen … immer und immer wieder ….

Das Leben geht weiter….

Die Stücke anspruchsvoller … die Haltung … denkt an die Haltung… spannen… gerade …

Ich war ein armes Bauernmädchen, wir hatten nichts, nur den Hof, ich kannte mein ganzes Leben nur Arbeit… und egal wie schwer der Korb war der auf meinem Rücken war … haltet die Spannung...

Das Leben hatte sich gedreht, ich war gerade einmal neun und ich war kein Kind mehr.

Nein – vielleicht war ich das nie – Kinder hatten keinen Platz auf einem Hof – wo das Einholen der Ernte nicht von Dienstzeiten bestimmt war, sondern vom Wetter – ja da konnte es schon mal vorkommen, dass man mitten in der Nacht aus dem Bett gejagt wurde, weil eine Sturmfront aufzog und irgendwas befestigt werden musste – oder die Kühe unruhig wurden oder oder oder …

Mein Leben hatte sich verändert... und man setzte den Tanz des Lebens auf einer anderen Bühne fort…

Mein Opa hatte mir einst mal erzählt, als er in die Dorfschule ging und im Sommer die Jungs auf dem Feld gebraucht wurden wurden sie freigestellt…

Doch für uns gab es das nicht…

Wir mussten weiter zur Schule – wir mussten weiter lernen – während das Leben zu Hause einer Tragödie gleich – schlecht besetzt – und doch war sie eine Tragödie… hätte ein Shakespeare das besser machen können? Hätte irgendein Dichter sich das schlimmer ausmalen können?

Dehnen, Strecken, Drehen … immer und immer wieder …

Ich wurde ein Teenager, doch wo andere weggingen, feierten, musste ich zu Hause bleiben.

Und so begann ich mit 16 eine Lehre, die mich scheinbar aus meinem Elternhaus erlöste, doch es war nur eine neue Bühne, wieder einmal wurde der Tanz neu einstudiert.

2einhalb Jahre lang, ertrug ich den Betrieb, bis ich eines Tages im Gastraum zusammenklappte, Spiel vorbei, Panikattacken und Belastungsstörungen.

Ein Mann kam in mein Leben, wir heirateten, ich war gerade mal 19 und was ich konnte war arbeiten, eine gute Hausfrau sein…

Doch das wollte ich nicht – ich wollte endlich leben… ich wollte nicht mehr gebunden sein an die Vorgaben eines Stückes.

Doch in Wahrheit tat ich nichts anderes – ich tanzte weiter – in einem begrenzten Raum – ich erkannte das mein Mann nie geheiratet hatte um meine Wunden mit mir zu teilen, ich erkannte, dass er selbst zu viele Wunden trug – ich erkannte, dass er mich geheiratet hatte weil ich hübsch, jung und vielleicht wie er dachte beeinflussbar war. Aber er hatte unterschätzt, dass ich viel viel weiter als andere 19-jährige war.

Ich besaß die alte Weisheit in mir, deshalb machte es mir auch nichts aus, dass er 12 Jahre älter war, doch er war blind für solche Dinge.

Er konnte in einer Rose nur eine Rose sehen.

Er konnte in einem Regen nicht die Reinigung und den Segen sehen.

Er tanzte nicht den gleichen Tanz wie ich – und so kamen wir ins Stocken – entfernten uns immer mehr voneinander…

Bis es letztendlich sogar in Gewalttätigkeiten endete, doch ich ging nicht – ich dachte er müsse nur seinen Schmerz freilassen.

Meinen Schmerz sah er nicht, er sah auch nicht, dass meine Mutter mir schon lange den Zugang zu meinem Elternhaus verwehrt hatte, er hatte die Hilflosigkeit dahinter nicht gesehen, und ich gebe zu, das ich auch sehr viele Jahre dazu brauchte, um zu verstehen, dass meine Mutter mich nur so hasste, so misshandelte, weil sie mich in Wahrheit mehr brauchte als alles andere auf der Welt. Ich war durch meine Stärke ein Dorn in ihrem Auge und gleichzeitig ihr Hafen.

Dehnen, Strecken, Drehen… immer und immer wieder ….

Ich ging nicht – ich hätte nicht einmal gewusst wohin – ich war verloren – schon längst hatte ich aufgehört diese Melodie zu hören.

Nun war für mich eine Rose auch nur noch eine Rose. Und Regen Wasser das vom Himmel fiel.

Eines Tages unternahm ich einen Suizidversuch……

Diagnose Borderline….

Als er mich über den Tisch gegen den Schrank warf, rief ich die Polizei, er gab mir einen Monat Zeit um die Wohnung zu verlassen, ich ging…

Auf eine Anzeige habe ich verzichtet… er hatte schon genug Lektionen im Leben zu lernen.

Ich ging in eine kleine Wohnung, mit nichts – ich hatte weder einen Schrank noch ein Bett – aber das Stück muss weitergehen, die Zuschauer warten, sie haben bezahlt.

Ich habe für das Leben bezahlt.

Und es erwartete, dass ich weitermachte.

So kämpfte ich mich 2eineinhalb Jahre ins Leben – alleine ohne jemals Besuch zu erhalten, ohne Familie.

Bis ich den Vater meiner Tochter kennenlernte, ich war IMMER noch verheiratet.

Mein noch Mann weigerte sich die Papiere zu unterschreiben, bzw. öffnete die Briefe nicht einmal.

Und es einer 2-monatigen aufblühenden Liebe, und einer medizinischen angeblichen 100-prozentigen Wahrscheinlichkeit niemals schwanger werden zu können, war ich nach 2 Monaten schwanger.

Und der Vater verließ mich, er verließ mich – 3 Wochen später erhielt ich einen Anruf, dass mein Lebensgefährte sich das Leben nehmen wollte.

Ich war schwanger, und wollte das Kind nicht ohne Vater aufwachsen lassen und ich liebte ihn, also fuhr ich zu ihm in die Klinik doch er wies mich ab – sagte er könne es nicht – danach verschwand er völlig aus meinem Leben…

Die Geburt 17 qualvolle Stunden, begleitet von der tollsten Hebamme der Welt – danke Universum das du mir diese Frau zur Seite gestellt hast – die mich so liebevoll die letzten Stunden meiner Geburt betreute, die mir Mut zusprach, wo ich vor Schmerzen kaum noch atmen konnte – wo ich mich weigerte einen Kaiserschnitt machen zu lassen – der Ärztin es ausredete – mir die Hand hielt – obwohl ich so tapfer war und während der letzten Phase und im gesamten Geburtsprozess NUR EINMAL schrie.

Oh ja ich hielt mich für stark, für tapfer, dass ich die Geburt so würdevoll mit nur einem einzigen Mal schreien hinter mich gebracht hatte.

Dehnen, Strecken, Drehen … immer und immer wieder ….

Oh ihr Götter, hätte ich doch geschrien, so wie es meine Nachbarin tat, aber nein eine Königin erträgt die Geburt würdevoll.

2 Stunden SPÄTER nahm mir eine Ärztin die wohl noch nicht einmal fertig war mit ihrer Ausbildung mein Kind weg – Intensivstation wegen einer Lippen-Kiefer-Gaumen Spalte …. Ich hatte nach 17 Stunden Wehen keine Kraft mehr mich zu wehren, einen Mann der mich unterstützen konnte hatte ich ja nicht, und als meine Eltern eine halbe Stunde später im Krankenhaus eintrafen, weil ich sie angerufen hatte, weil ich ihnen trotz unseres schlechten Kontaktes ihr Enkelkind nicht verwehren wollte, war meine Tochter bereits abgeholt worden….

Ich fühlte mich wie ein Versager…. Ich fühlte mich einfach nur noch schlecht und unfähig irgendwas auf die Reihe zu bekommen… meine Eltern waren ja nicht wegen mir gekommen, sondern wegen meiner Tochter … ich wusste das und akzeptierte das … also standen sie verlegen um mein Bett und niemand wusste was er sagen sollte….

11 Tage Intensiv... Streitigkeiten mit den Ärzten … überforderte Ärzte … der Kampf einer Mutter ihr Kind ohne Sonde ernähren zu dürfen….

Und dann kommst du nach Hause und niemand ist da... niemand der kocht, aufräumt, wäscht, und dir zeigt wie du mit all dem umgehst ...

Wahrlich ich habe viel gelernt auf der Intensiv hatte viel Zeit die anderen Kinder zu beobachten… bekam gelehrt wie sich selbst kleinste Frühchen ins Leben kämpfen… es war trotz all der piepsenden Geräte eine so friedvolle Atmosphäre auf dieser Station – und ich sah das Leben von Anfang an sich durchsetzen…

7 Jahre sind seitdem ins Land gezogen, mit vielen Ops, vielen Lektionen, mit vielem Alleinsein, mit vielen vielen Momenten an denen man das Leben nicht mehr spürte, weil das Leben sich nur um das Kind drehte….

Viel ist seitdem passiert, und das wird ein weiteres Kapitel… doch für heute schließe ich dieses Kapitel ….

Dehnen, Strecken, Drehen … immer und immer wieder ….

Und der Tanz ist noch nicht zu Ende … er wird nur auf einer anderen Bühne fortgesetzt….

 
 
 

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